Schubert wurde durch einige Zeit düster gestimmt und schien angegriffen. Auf meine Frage, was in ihm vorgehe, sagte er nur: »Nun, ihr werdet es bald hören und begreifen.« Eines Tages sagte er zu mir: »Komme heute zu Schober. Ich werde euch einen Zyklus schauerlicher Lieder vorsingen. Ich bin begierig zu sehen, was ihr dazu sagt. Sie haben mich mehr angegriffen, als dieses je bei anderen Liedern der Fall war.« Er sang uns nun mit bewegter Stimme die ganze Winterreise durch. Wir waren über die düstere Stimmung dieser Lieder ganz verblüfft, und Schober sagte, es habe ihm nur ein Lied, der Lindenbaum, gefallen. Schubert sagte hierauf nur: »Mir gefallen diese Lieder mehr als alle, und sie werden euch auch noch gefallen.« Und er hatte Recht, bald waren wir begeistert von dem Eindruck der wehmütigen Lieder, die Vogl meisterhaft vortrug. (nach Joseph von Spaun, einem Freund Schuberts)
Auszug aus einer Besprechung der »Theaterzeitung« vom 29.3.1828, die anlässlich des Erscheinens der ersten Hälfte des Zyklus großes Verständnis seitens des Rezensenten zeigt: Winterreise. Von Wilhelm Müller, in Musik gesetzt für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte von Franz Schubert, 89. Werk. I. Abteilung. Eigentum des Verlegers. Wien. bei Tobias Haslinger, Musikverleger im Hause der Sparkasse Am Graben.
Auf etwas Gelungenes aufmerksam zu machen, ist das angenehmste Geschäft, dem sich ein Kunstfreund unterziehen kann. Sehr gern sprechen wir daher von dem vorliegenden Werke, das von Seite des Dichters, des Tonsetzers und Verlegers seinem Ursprunge Ehre macht. Schubert hat seinen Dichter auf jene genialste Weise aufgefasst, die ihm eigentümlich ist. Er hat die Empfindungen, welche die Gedichte aussprechen, tief nachgefühlt und diese Gefühle so in Tönen wiedergegeben, daß kein Herz sie ohne innige Rührung singen und hören kann. Schuberts Geist hat überall einen kühnen Schwung, in dem er alle mit sich fortreißt, die sich ihm nahen, und der sie durch die unermesslichen Tiefen des Menschenherzens in weite Ferne trägt, wo ihnen die Ahndung des Unendlichen in dämmerndem Rosenlicht sehnsüchtig aufgeht, wo aber auch zur schaurigen Wonne eines unaussprechlichen Vorgefühles der sanfte Schmerz beschränkender Gegenwart sich gesellet, der die Grenze des menschlichen Seins umstellt. Hierin liegt das Wesen der Romantik deutscher Art und Kunst und in dieser konsequenten Herausstellung der Harmonie des Äußeren und Inneren liegt eben das Hauptverdienst beider Dichter, des sprechenden und singenden. Am 11. November musste er sich zu Bette legen. Obgleich gefährlich krank, fühlte er sich nicht schmerzlich angegriffen und klagte nur über Schwäche. Von Zeit zu Zeit fiel er in Delirien, während er beständig sang. Die wenigen Zwischenräume benützte er noch zur Korrektur des zweiten Teils der Winterreise ... Am 19. November um 3 Uhr nachmittags entschlummerte er, und sein freundliches unverändertes Antlitz zeigte, daß er sanft und ohne Kampf hinübergegangen sei. (Joseph von Spaun: Über Schubert, 1829)
Impressum Aufnahme, Tonbearbeitung und Foto: Helmut Scharpf Coverbild: Lunch Room von John Salt, Öl auf Leinwand, 1977 (mit freundl. Genehmigung des Künstlers) Layout: Verena Rauh Vertrieb: klarton records, Bestnr. klar K05, klarton.de, 08332/5433 Aufnahme vom August 2002, erschienen 11/2003. Mit freundlichem Dank an die Benediktinerabtei Ottobeuren für die Genehmigung im Kaisersaal aufnehmen zu dürfen. Kontakt mit den Künstlern: Markus Felser, Hauptstr. 56, 87739 Loppenhausen, 08263/1558 Printed and made in Austria GEMA DDD
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